Er hat Unrecht gehabt, der Drafi Deutscher bzw. sein Textdichter, als er die Liedzeile dichtete:
Und was ist nun daran falsch? Mal schau’n.
Marmor bricht, Stein bricht, Eisen bricht – das ist richtig. Aber Marmor, Stein und Eisen, die brechen!
Was passiert, wenn Redaktion und Grammatik getrennte Wege gehen
Macht nichts, sowas passiert. Zum Beispiel im Passauer Anzeigenblatt mit Boulevard-Ambitionen Am Sonntag (3. Oktober 2010):
»Ein Teil aller Einnahmen der Bienenkorb-Limo werden an die Passauer Runde gespendet«,
hat er herausgefeilt, der Bildunterschriftenoberbeauftragte. Siehe Titelbild.
Sprachpannen im Journalismus, Grammatik im Alltag
Das Foto bedarf einer Erläuterung.
Bienenkorb heißt ein Passauer Nachtlokal; die Passauer Runde ist (anders als man vielleicht meinen möchte) nicht die Frau des Oberbürgermeisters, sondern ein Freundeskreis, der unter anderem Gutes tut. Und wenn ein Gast des Bienenkorbs eine Bienenkorb-Limo bestellt, dann will er kein klebriges, alkoholfreies Getränk, nein, dann ordert er ein Auto: »Limo« bedeutet in der Stenosprache der Am Sonntag schlicht Limousine.
Wer Sprache solcherart verkürzt, mit dem soll man Nachsicht üben; vielleicht versteht er nicht, was er schreibt. Es muss also heißen:
»Ein Teil aller Einnahmen wird gespendet.«
Goldgrün ist das neue Richtig. Goethe als Ehrenmitglied der Redaktionsrunde
»Grau, teurer Freund, ist alle Theorie
und grün des Lebens goldner Baum.«
So hat es jedenfalls Johann Wolfgang von Goethe geschrieben in seinem Faust. Der Tragödie erster Teil. 1808 war das, und der Satz fällt im Studierzimmer, Mephisto sagt es zum Schüler.
Da staunt man nicht schlecht: Der Baum ist gold, aber grün. Oder grün, aber golden. In jedem Fall widerspricht er sich in Farbe und Material, lässt Metaphern aufeinanderprallen wie Limousinen in der Tiefgarage des Bienenkorbs.
Aber ich will nicht urteilen, Goethe war ja auch nur ein Mensch. Und einer, der sich offensichtlich in derselben Farblogik bewegt hat wie die Redaktion der Am Sonntag, die ihre Einnahmen gleich mehrfach grammatikalisch verspendet.
Wenn also der große deutsche Dichter schon aus einem goldenen Baum grüne Lebensfreude sprießen lässt, dann dürfen auch andere mal ein »werden« statt »wird« pflanzen. Macht ja nichts (siehe oben), sowas passiert.
Viel Spaß – und eine gute Zeiten!
Anhang
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