Darf man mit Hitler Satire betreiben?

Tatort Facebook. 21. Oktober. Mein Freund Ruprecht formuliert sein Unbehagen angesichts des Films „Er ist wieder da“. Dazu habe ich mir Gedanken gemacht, die mir für eine Veröffentlichung auf Facebook zu umfangreich erscheint. Deshalb also an dieser Stelle: Darf man mit Hitler Satire treiben?

Lieber Rupi, ich bilde mir ein zu wissen, was du empfindest. Abseits von der akademischen Frage, was „man“ so alles tun „darf“ und was nicht, haben wir beide qua Alter vielleicht einen anderen Bezug zu den Folgen des III. Reichs. Ich kann mir gut vorstellen, dass den uns „Nachgeborenen“ diese Sensibilität oder Idiosynkrasie fehlen. Deswegen aber sind „wir“ (das, was man als „unsere Generation“ bezeichnen könnte) kein Deut besser.

Trotzdem bleibt natürlich die Frage unbeantwortet: Taugt Hitler zur Satire?

 Chaplin hat gesagt: ja!, und er hat es großartig vorgemacht zu einer Zeit, als die Nazis noch siegestrunken agierten und mordeten. (Insofern ähnelt South Park diesem Moment: die Trümmer rauchten noch.) Spätestens in dem Moment aber, als die Lager geöffnet wurden, war eine neue Situation entstanden. Und aus dieser Situation heraus habe ich einen ganz eigenen Blick auf sämtliche Versuche, Hitler zu instrumentalisieren – besonders wenn sich das als „Satire“ tarnt.

Jeder Künstler, Filmemacher, Kabarettist, der r-rrrollend „zurückschießt“ und sich die Haare rechteckig wachsen lässt unter der Nase, ist in meinen Augen feige. Er riskiert nichts. Was genau sollte ihm passieren? Ein bisschen aufgeregtes Gegacker in den Feuilletons, jener „Skandalerregungsgemeinschaft“, wie Raimund Fellinger mal die Journalisten genannt hat (Fellinger ist Cheflektor bei Suhrkamp).

Und weil ihm nichts passiert, weil er ja nichts riskiert, schon gar nicht Leib und Leben, eben dadurch wird die sogenannte „Hitler-Satire“ zum Bumerang: Sie wandelt wegen ihrer Bedeutungslosigkeit sich in eine gefährlich-harmlose Sache. Alles nur, weil ihre Erschaffer feige sind (und, wie ich vermute, hektisch nach einem „Aufreger“ gesucht haben).


Hitler kann man nicht (mehr) satirisch begegnen. Zu Lebzeiten war es möglich, heute wirkt Hitler-Satire wie Pfeifen im Wald, wie das testosterongeschwängerte Stochern der Menschenaffen gegen den Monolithen in der Eingangssequenz von „2001 – Odyssee im Weltall“. Sie vertreiben die Angst vor etwas, was sie nicht verstehen. (Apropos verstehen: Meines Wissens hat kaum jemand etwas Erhellenderes zur Person Hitler geschrieben als Alice Miller in ihrem Buch Am Anfang war Erziehung.)

Hitler-Satire riskiert nix. Sie erregt die Gemüter, und das war’s schon. Etwas anderes wäre es, wenn der Künstler die deutsche Drecksbrut thematisieren würde, die rechten Wurzeln, die aus Hitlers Grab wachsen.

Je weniger gehaltvoll und bedeutend die Satire daherkommt, je blöder sie sich kleidet, desto mehr muss der Künstler sich plustern, der sie in die Welt gesetzt hat. Es ist ein Spiel. Ich halte es für unwürdig und ich halte das Sujet für denkbar ungeeignet.

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