Klümpchen vermeiden. Ein Impulsvortrag für Autoren

Aus Fred Vargas, »Der vierzehnte Stein«*

»Adamsberg stand in der Küche und verquirlte mit einem Holzlöffel einen Pudding unter Clémentines Anweisungen. Das hieß ständiges, gleichmäßiges Rühren, vornehmlich in Form von Achten. Entscheidender Hinweis, um die Bildung von Klümpchen zu verhindern.«

Meine Gedanken beim Lesen dieses Absatzes:

  • Die natürliche, die naheliegende Bewegung beim »Rühren« ist die Kreisform. 
  • Wer also kam zum ersten Mal auf die Idee, in Achten zu rühren? Was steckt dahinter?
  • Dahinter steht: Neues ausprobieren. Sich nicht mit dem »Normalen«, dem Gewohnten, dem Gelernten abfinden. Statt die Zähne mit der rechten Hand zu putzen, die linke nehmen. Statt vorwärts, einfach mal rückwärts zu gehen.

❓Das Problem: Wie komme ich darauf, was dieses »Neue« sein könnte?

Die Lösung: Ich muss mir meiner selbst bewusst sein – ich muss wissen, was ich tue.

Einfach formuliert: Ich muss misstrauisch mir selbst gegenüber sein und meine Abläufe, Gedanken, Handlungen beobachten können. Und dann die Antithese bilden, das genaue Gegenstück. Um im Bild zu bleiben: statt kreisrund auch mal eckig zu rühren – und dann aber festzustellen, dass Eckenrühren denkbar ungeeignet ist für einen Teig und dann auf die Idee zu kommen, dass die Acht nichts anderes ist als die Verbindung zweier Kreise.

Warum der Perspektivwechsel beim Schreiben Wunder wirkt, und was du von einem Pudding lernen kannst

Wenn das Schreiben ins Stocken gerät, hilft nur, so leid es mir tut: Bewegung; keine noch so gutgemeinten Tipps weisen aus der Starre. Du ganz allein bist derjenige, der dich in Gang setzen kann, auch wenn der Stups von außen durchaus Initialwirkung besitzt.

Vor dem Tun aber steht die Überlegung: Wie vermeide ich »Klümpchen«? Anders gesagt: Wie entkomme ich der Falle »Blockade«? Hier wirkt der Perspektivwechsel Wunder.

Was ist das, ein Perspektivwechsel? Und wie erzielst du ihn?

  • Vermeide die immer selben Bahnen, hüte dich vor Denkschemata! Wer stets im selben Muster denkt, reproduziert Altbekanntes und verhindert das Neue. In seinem grandiosen Ratgeber »Wie man einen verdammt guten Roman schreibt« führt uns der Autor James N. Frey ein wenig an der Nase herum. Frey meint sinngemäß, es reiche, auf eine Handlung eine zweite folgen zu lassen, die gegen Handlung eins arbeitet – so entstünde Spannung. Das ist nur prinzipiell richtig, produziert aber Langeweile, wenn der Rat wörtlich und ausschließlich befolgt wird. Er ist schematisch – ein Perspektivwechsel hingegen ist wie das Panorama auf dem Gipfel.
  • Erzähle die Szene mit den Augen einer anderen Figur! Erzählen aber ist nur die eine Hälfte des Wechsels; Teil zwei lautet: Vergiss, was die andere Figur »weiß«! Autoren neigen zur auktorialen Sicht auf ihre Geschichte, sie betrachten und schildern das Geschehen wie ein Erzähler, der alles kennt. Wenn ich schreibe »mit den Augen einer anderen Figur«, meine ich damit nicht nur die visuelle Neuorientierung, nein! Begib dich in die Gefühle dieser Figur, in ihren Moralkodex, in all das, was (d)einen Menschen ausmacht. Du musst verstehen und empfinden, was diese Figur zur Szene sagt, welche Haltung sie dazu einnimmt.

Und dann, wenn du diese beiden Punkte befolgt hast, wirst du wissen, da bin ich sicher, wie es weitergeht; und wenn du weißt, wie es weitergeht, löst sich, auch da bin ich sicher, die Blockade.

Routinen erkennen und gezielt durchbrechen

Genau das meint das Bild des in Achten gerührten Puddings:

Statt der üblichen, runden Bewegung, die kaum Aufmerksamkeit erfordert, verlangt das Rühren in Achten eine bewusste Koordination. Es zwingt dazu, den Ablauf zu überdenken, neu zu justieren, achtsam zu handeln, genau zu beobachten, was du tust. Dieser bewusste Bruch der Routine setzt auch im Schreibprozess frische Ideen frei.

Kreativität braucht Mut zum Stolpern

Was du daraus lernst: Kreativität entsteht oft dort, wo du dich selbst unterbrichst. Wo du innehältst, beobachtest und eine ungewohnte Richtung einschlägst, selbst auf die Gefahr hin, dass es erst einmal holpert.

Genau das führt zu Texten mit Tiefe, Spannung und Eigenart.

Wechsel der Perspektive. Das musst du gesehen haben

Vielleicht sind sie dir schon mal begegnet, jene Videos auf YouTube, TikTok oder Instagram, in denen vollkommen verzwickte und maximal handtellergroße Arrangements »entfesselt« werden sollen. Ich sag’s dir, da glühen die Synapsen! Etwa in diesem Beispiel hier – unbedingt anschauen –> Klick!

Credits fürs Titelbild

Auch wenn es nicht haargenau darstellt, was Fred Vargas hier erzählt, konnte ich nicht an diesem Foto von wJ auf Unsplash vorbei, das er kostenlos zur Verfügung stellt.

Herzlichen Dank, wJ!

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