Online schreiben: So entsteht ein Online-Artikel

Am 9. November 2011 habe ich auf Spon einen Artikel gelesen, der mich faszinierte: Auf einem Fresko des Künstlers Giotto wurde knapp 800 Jahre nach seiner Entstehung ein Detail entdeckt, das jetzt für einige Überraschung sorgt. Zu jener Zeit (November 2011) war ich Online-Redakteur beim Engelmagazin, das Thema schien es mir wert, aufgegriffen zu werden, also baute ich aus der Spiegel-Vorlage eine neue Geschichte. Wie das ging, beschreibe ich im folgenden.

Online-Artikel schreiben: die Suche nach den Quellen

Zunächst einmal: Mein Arbeitsplatz ist nicht an den dpa-Ticker angeschlossen, Meldungen „aus aller Welt“ erfahre auch ich erst sehr spät. Andererseits ist das Engelmagazin kein Nachrichtenportal und Aktualität kein Markenzeichen der Seite. Hier geht es um etwas anderes: um Reflektionen, Erzählungen, Einsichten und manchmal eben auch Nachrichten aus der Welt der Spiritualität – das Printprodukt trägt den Untertitel „Freude, Sinngebung und Inspiration für jeden Tag“.

Der Online-Auftritt ist noch sehr jung: Zwei Monate zuvor sind wir an den Start gegangen mit erfreulichen, kontinuierlich steigenden Besucherzahlen im fünfstelligen Bereich. Meine Aufgabe besteht aus zwei Phasen: Pflege und Erweiterung des Auftritts.

Pflege betreibe ich beispielsweise bei der Beobachtung des Forums, und mit eigenen Beiträgen erweitere ich das Angebot, wobei ich versuche, dem Printprodukt nicht allzu nahe zu kommen, um Kannibalismus auszuschließen. Ganz lässt sich das noch nicht vermeiden: Die Seite „Rezept der Woche“ wird aus dem aktuellen Heft „gefüttert“.

Woher kommen die Bilder für den Online-Artikel?

In der Rubrik „Aktuell“ trage ich kommentierte Ergebnisse unserer Umfragen ein – oder eben so etwas wie den Artikel über den Fresko-Fund. Die erste Frage, die sich mir nun stellte, war: „Woher bekomme ich die Bilder, die für einen Online-Artikel nahezu unabdingbar sind?“

Ein Blick unter den Artikel auf Spon nennt die Quelle: dpa wird da erwähnt, an anderer Stelle taucht Reuters auf. Alles Agenturen, die gutes Geld verlangen, wenn man ihre Leistung verwenden möchte. Geld, was mein Arbeitgeber nicht ausgibt – und das Bild downzuloaden oder ungefragt zu verwenden, kommt absolut nicht in Frage:

    • aus Urheberrechtsgründen
    • aus journalistischer Sorgfalt (oder Aufrichtigkeit)

Also: Woher kann das Bild kommen? Mir stehen mehrere Wege offen: Unser Verlag hat einen Zugang zur Bilddatenbank shutterstock; gut möglich, dass hier professionelle Aufnahmen des Freskos zu erhalten sind. Der Weg erweist sich als wenig hilfreich, es gibt nur einige Aufnahmen der Basilika.

Um mehr über die Basilika selbst zu erfahren, wechsele ich zu Wikipedia, Stichwort „Basilika San Francesco“. Auch wenn das von mir gesuchte Bild dort nicht erscheint, erfahre ich etwas Hochinteressantes, ich zitiere:

„Dies ist eine originalgetreue fotografische Reproduktion eines zweidimensionalen Kunstwerks. Das Kunstwerk an sich ist aus dem folgenden Grund gemeinfrei: Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für alle Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 100 Jahren oder weniger nach dem Tod des Urhebers.“

Das könnte bedeuten: Ich darf das Foto verwenden – wenn es denn vorhanden wäre!

Ein gewichtiger Grund spricht gegen eine Verwendung: vergleichbare Abbildungen in Wikipedia sind nur 88 kb groß (572 x 678 Pixel). Ich aber würde lieber eine größere Datei als Vorlage nehmen, die ich dann nach Belieben bearbeiten kann, denn da es bei dem Fresko auch um Ausschnittsvergrößerungen geht (das Detail), sollte die Vorlage eine gewisse Größe besitzen.

Online schreiben: dem Ziel nahe

Am Fuß des Artikels finde ich einen Verweis auf die Fresken der Basilika, und hier werde ich fündig: Die Abbildung ist vorhanden! Allerdings nur 117 kb groß – was tun? Endlich erinnere ich mich meines Recherche-Mantras (hat ja auch lange genug gedauert):

„Wenn du was erfahren möchtest, geh’ zur Quelle!“

Ich suche nach der offiziellen Homepage der Basilika.

Der Rest ist ein Klacks. Auch ohne die italienische Sprache zu sprechen, finde ich mich auf der Homepage zurecht (meine Lateinkenntnisse kommen mir zu Hilfe), denn auch hier wird das Ereignis präsentiert. Ein paar Klicks weiter finde ich den E-Mail-Link zur Pressestelle und habe auf Englisch eine Anfrage verfassst, ob ich ein Foto von der Homepage verwenden dürfe. Nur wenige Stunden später klingelt die Antwort der Kollegen im Postfach: „Natürlich – aber bitte die Quelle nennen!“ Naturalmente, Signori!

Bleibt noch ein Wermutstropfen: Auch die jpg-Vorlage der Basilika ist nicht wirklich groß, ca. 500 kb. Das muss reichen und tut es auch, wie mir die Grafikerin im Haus bestätigt. Hauptsache, es gibt keine Sperenzchen wegen des Urheberrechts! Das Bild auf den Rechner laden, einige Ausschnitte festlegen und für unseren Webauftritt zurechtschneiden ist eine Sache von etwas mehr als einer halben Stunde. Was bleibt, ist, die eigentliche Geschichte zu schreiben.

Auch bei Online: Schreiben heißt emotionalisieren und dramatisieren

Im Spon-Artikel stehen zwei Namen: der der Entdeckerin (eine Kunsthistorikerin) und der des für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mönchs. Ich schaue noch einmal auf der Homepage der Basilika nach (mittlerweile habe ich auch andere Quellen angezapft bis hin nach Amerika): Die Namen sind korrekt! Jetzt gilt es, eine eigene Geschichte aus der Entdeckung zu machen.

Dazu bringe ich die mir vorliegenden Infos aus Wikipedia, Spon und Homepage in einen Zusammenhang und versuche zu emotionalisieren, will sagen: Ich beschreibe nicht nur die Entdeckung, sondern setze auch einige dramatische Akzente wie den des Erdbebens. Und da ich für engelmagazin.de schreibe, folgt auch noch ein Schlenker hin zu dem Glaubensverständnis der Menschen im ausgehenden Mittelalter. Fertig!

Fazit: Online-Artikel sind nicht eben mal hingehuscht

Etwas über vier Stunden hat dieser Online-Artikel in Anspruch genommen. Vielleicht ist das langsam, ich weiß es nicht. Ich hätte ein paar Abkürzungen bei der Recherche nehmen können, da war ich selber schuld, weil ich meinen eigenen Grundsätzen nicht gefolgt bin. Ansonsten aber finde ich den Aufwand akzeptabel:

  • Bildersuche
  • Bildbearbeitung
  • Online-Artikel schreiben
  • Online-Artikel ins CMS (Content Management System) einstellen.

Der letztgenannte Produktionsschritt nimmt ebenfalls einige Zeit in Anspruch: Es müssen diverse Headlines getextet werden und Vorspänne, Teaser, Bildunterschriften, Bildtitel (das, was beim Mouse-Over übers Bild zu lesen ist: wichtig fürs SEO) und eben die Copyrightvermerke. So betrachtet, ist ein halber Arbeitstag Aufwand nicht zu viel. Nur auf der Seite selbst hat sich nicht viel getan: Einen einzigen Artikel habe ich veröffentlicht. Aber der gefällt mir selbst – darf er doch, oder?

Viel Spaß – und eine gute Zeit!

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