Buchtipp „Das ultimative Buch übers Drehbuchschreiben“

Ich kann ja verstehen, dass man nach Halt sucht; es ist vollkommen normal, dass wir Menschen Orientierung brauchen. Aber wie so vieles andere auch kehren sich Orientierungshinweise rasch in ihr Gegenteil, oder sie münden in Beliebigkeit, wenn man sie absolut nimmt und sich ihnen sklavisch beugt: Wer nur den Regeln folgt, führt ein Leben nach GPS.

Geht’s, bitte, auch etwas konkreter, Herr Flörsch?

Telefonat mit einer Redakteurin beim Südwestfunk. Ich kenne I. seit dreißig Jahren; wir haben zusammen bei einer Filmgesellschaft in Heidelberg/Berlin gearbeitet.

I. hält Drehbuchseminare, ich konzipiere zur Zeit einen Schreibworkshop. Das Gespräch mit einem kundigen Menschen tut immer gut: Ist man gleicher Meinung, freut’s einen – ist man es nicht, bereichert’s.

In einem Punkt sind I. und ich uns einig: dass unser Tun widersprüchlich ist. Einerseits vermitteln wir Regeln, auf der anderen Seite warnen wir genau vor ihnen: Wer sich an die Regeln hält, wird langweilig, beliebig, austauschbar – wer die Regeln ignoriert, wird konturlos. Und I. berichtet von den hunderten von Drehbüchern, die sie zu lesen bekommt, und woran sie kranken: „Plotpoints ganz lehrbuchmäßig auf Seite 23 gesetzt. Das sind keine Geschichten, das sind Produkte.“ So in etwa formuliert sie es, und an dieses Gespräch musste ich denken, als ich heute Morgen den Autorenbrief vom Autorenhaus las.

Breaking the rules

Gerhild Tieger, die Betreiberin der Website, präsentiert „Rette die Katze!“, das Buch von Blake Snyder für Drehbuchautoren und Seiteneinsteiger.

Tieger enthält sich einer Wertung, aber aus ihrer Beschreibung wird deutlich, womit das Buch lockt: mit Versprechungen, die ich erst gar nicht auflisten will – hier der Link zum Inhaltsverzeichnis.

Um das Buch ein wenig zu loben, zitiert die Autorenhaus-Website aus einer Rezension der Süddeutschen Zeitung:

„Es scheinen wirklich“, schreibt dort ein David Steinitz, „fast alle größeren amerikanischen Produktionen (und mittlerweile auch kleinere Independent-Filme) streng nach den Regeln dieses einen Ratgebers geschrieben zu werden.“

Mal abgesehen davon, dass Steinitz vielleicht (wahrscheinlich?) nicht die „Odyssee des Drehbuchschreibers“ kennt, habe ich den Eindruck: Etwas Erschreckenderes wurde noch von keinem über ein Buch gesagt. Und etwas Falscheres vielleicht ebenfalls nicht– auch wenn die Plotpoints der Nachwuchsdrehbuchautoren allesamt auf Seite 23 gesetzt werden und die Nachwuchsbelletristikregionalkrimischreibkräfte fleißig „show! don’t tell!“ inhalieren.

Tradition ist scheiße gut!

Es hilft nix, wenn man nur das Schalten lernt – man muss auch wissen, wann es in den nächsthöheren Gang geht. Der Drehzahlmesser kann da eine (sic!) Orientierung bieten. Besser wird’s, wenn du ein ausgezeichnetes Gehör, einen sensiblen Arsch (Prinzessin auf der Erbse) und Liebe zum Tun besitzt.

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