Was kostet ein Lektorat?

Was darf ein Lektorat kosten? Die Frage ist so unsinnig wie die nach den Kosten für ein neues Auto. Trotzdem: Hier kommt der Versuch einer Antwort.

Mein Artikel ist auch für dich hilfreich, falls du „nur“ Autor bist und aufheulst, wenn du den Preis hörst, den dein Lektor in den Ring geworfen hat. Vielleicht wirst du dann einsichtig und lenkst doch lieber ein Taxi oder trägst Zeitungen aus.

Die Sache mit dem Brotjob

Ich will nicht herablassend wirken: Taxifahrer ist ein ehrenhafter Beruf mit vielen spannenden Facetten, manchmal nicht ungefährlich, aber meistens ganz ok. Ich weiß das, weil ich selbst jahrelang als Taxifahrer mein Studium finanziert habe. Und wenn es jemand schafft, um drei Uhr nachts aufzustehen, kann er sich natürlich auch bei Wind und Wetter um die Häuser treiben und Zeitungen in die Hauseingänge legen. Hab’ ich nichts dagegen, nur für mich wär’ das nichts.

Die beiden Beispiele sind nur typisch für Menschen, die mit ihrem Wunschjob nicht so viel Geld verdienen, dass es ihnen zum Leben reicht. Texter zum Beispiel sind durch die Bank arme Schweine, Ausnahmen bestätigen die Regel.

Nun träumt aber jeder Texter (glaub’s mir: wirklich jeder, der mal ein paar Zeilen zu Papier gebracht oder in einem Blog gepostet hat, träumt davon), jeder Texter also kriegt glasige Augen, wenn er an die Zukunft denkt. In seinen Träumen steht der eigene Name ganz oben auf den Bestsellerlisten, und Joanne K. Rowling und E. L. James bitten um ein Autogramm.

Lektorat ist kein Bestsellerversprechen. Leider.

Das Problem: Mittlerweile träumen viele von einem Leben als Bestsellerautor, doch oben wird die Luft dünn. Wer an die Spitze gelangen will, kann entweder wie Reinhold Messner den Gipfel ohne Sauerstoff erklimmen, oder er leistet sich eine besondere Art der Ventilation: einen Lektor.

Und bevor du jetzt glaubst, ich sei größenwahnsinnig: Kein Lektor kann dir den Olymp versprechen. Das ist mal sicher.

Aber ohne Lektor wirst du nicht einmal in die Vorhallen gelangen.

Kosten fürs Lektorat: von Brosamen und Krümeln

Es gibt eine ganz einfache Formel, die durch die Lebenserfahrung bestimmt wird und wie so manches andere auf Englisch ungleich präziser klingt: „Garbage in – garbage out!“ Mit anderen Worten: Wenn du als Autor deinem Lektor nur Brosamen zukommen lassen willst, solltest du dich nicht wundern, wenn du nur Krümel zurückerhältst. Ob das dann die Ration ist, die dir zum Gipfel hilft, sei mal dahingestellt.

Die Kosten fürs Lektorat müssen realistisch sein

Nicht nur Texter sind arme Schweine

Und was sagt der Lektor? Wie findet der zu einer vernünftigen Antwort auf die Frage, was er für seine Dienste in Anspruch nehmen soll? Ganz einfach: Er kalkuliert.

Realistisch heißt: Die Kosten fürs Lektorat müssen sich an der Lebenswirklichkeit orientieren

Billiger geht immer

Ich kenne beide Sichtweisen: die des Autors und die des Lektors. Wenn der Lektor seinen Preis nennt, schreit der Autor: „So viel? Ach du meine Scheiße, da muss ich ja 1.000 Bücher verkaufen, nur um den Lektor bezahlen zu können!“

Der Lektor hingegen sagt: „600 Seiten? Da verbringe ich allein 30 Stunden mit dem Lesen (vielleicht auch nur 20), etwa dieselbe Zeit benötige ich für Korrekturen im weitesten Sinne: Rechtschreibung, Stil, Logik, Aufbau, Verschiebungen etc. Da bin ich mindestens eine Woche fulltime on the job  – das kostet schon eine Stange!“

Und der Autor wendet sich mit Grausen und sucht nach neuen Möglichkeiten.

Lerne: Einen, der es billiger macht, findest du immer. Ich wiederhole: Immer!

So kalkuliert man die Kosten fürs Lektorat

Den Lektor plagt das schlechte Gewissen, er tendiert zur Rechtfertigung und denkt an seine Ausgaben:

Und der Lektor kalkuliert: Er addiert seine Ausgaben und teilt sie durch 12. Nun hat er einen Anhaltspunkt, was er monatlich verdienen muss.

Vorsichtshalber teilt er durch 10, weil er ja auch noch Urlaub machen will und weil er auch nicht jede Minute seiner Arbeitszeit abrechnen kann und weil’s ihn gerade gestern wieder im Rücken so unangenehm geziept hat, dass er an seine Bandscheiben denken musste. Drücken wir ihm die Daumen, dass er dieses Jahr nicht krank werden wird.

Nun kommt er auf eine Zahl, die ihm sagt, was er monatlich einnehmen muss, um halbwegs über die Runden zu kommen. Diese Zahl teilt er durch die monatlich üblichen Stunden. Diese Zahl schwankt zwischen 150 und 180 Stunden, nehmen wir also den Durchschnitt: 165 Stunden.

Knapp über Mindestlohn

Teilt der Lektor nun seinen Sollverdienst durch diese 165, erhält er einen Vorschlag für seinen Stundenlohn, den er nach bestem Wissen und Gewissen ermittelt hat. Sagen wir mal, da kommt irgendwas um die 20 Euro raus. Von diesem Geld (20 Euro pro Stunde) kann er nur leben, wenn er rund um die Uhr Arbeiten vollbringt, die er auch abrechnen kann – und wer kann das schon?

Also ist er aus kaufmännischer Sicht gezwungen, diesen Stundensatz anzuheben (immerhin geht es um seine Existenz und um die seiner Kinder bzw. Familie).

Soweit klar? Zum Schluss aber noch eine kleine Anmerkung für dich, den Autor:

Wenn ein Lektor gut ist, hat er keinen Mangel an Aufträgen. Aber wenn er für 20 € arbeitet, kann er niemals ein guter Lektor werden. Dann muss er Taxi fahren oder bei Wind und Wetter siehe oben.

40 Euro die Stunde halte ich derzeit** für die unterste Honorargrenze, zu der ein Autor mit einer vernünftigen Arbeit von Seiten seines Lektors rechnen darf.

Ich hoffe, ich konnte helfen.

** Stand November 2020

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