© Bundesministerium der Finanzen, Foto: Ilja C. Hendel

Konfuzius kritisiert Schäubles Metapher von der Lawine

Wir wissen nicht, was Wolfgang Schäuble umtrieb, als er die Metapher der Lawine wählte; verraten hat er’s meines Wissens nach nicht. Wörtlich sagte der Bundesfinanzminister:

„Lawinen kann man auslösen, wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer ein bisschen Schnee in Bewegung setzt.“ (zitiert nach einem Artikel auf ZON.de)

Nochmal: Wir wissen nicht, was Wolfgang Schäuble umtrieb, als er die Metapher der Lawine wählte. Ist es überinterpretiert, wenn ich ihm Absicht unterstelle? Dass er also im vollen Bewusstsein um die Bedeutung seiner Worte so sprach?

Zwei Möglichkeiten: Er wusste, oder er wusste nicht. Er hat kalkuliert, oder er war nachlässig bzw. nicht der Meinung, dass die Metapher irritieren könnte oder erzürnen.

Wenn er nicht wusste, was er sagte, wäre eine Entschuldigung angebracht. (Warum, das erklärt Konfuzius – siehe unten.) Falls er es wusste, hat Schäuble als Brandstifter gesprochen, als ein Zündler.

Es gibt kein Wort ohne Bedeutung; kein Wort ohne Assoziation. Assoziation mündet in ein Gefühl. Immer. Wer „Liebe“ sagt, meint vielleicht manchmal Bedrohung – wer „Lawine“ sagt, meint das immer.

Und bevor ich zu Konfuzius komme, noch ein Gedanke. Sprecht mir langsam nach:

„… wenn ein unvorsichtiger Skifahrer Schnee in Bewegung setzt …“

und lasst dabei jedes Wort gemächlich über die Lippen laufen. Habt ihr’s? Klingt beinahe wie der Beginn einer Bedienungsanleitung, nicht wahr? Und nun, bitte, folgendes – langsam, gaaanz langsam:

„… wenn ein etwas unvorsichtiger Skifahrer ein bisschen Schnee in Bewegung setzt …“

Das ist Raffinement vom Feinsten, was Schäuble hier anstellt, und Indiz, wie er mit ein, zwei unauffällig hingetupften, geradezu beschwichtigen wollenden Wörtern zwei Fronten attackiert: die der politischen Feinde und die seiner – Freunde. „Ein etwas vorsichtiger Skifahrer setzt ein bisschen Schnee in Bewegung.“ Damit nimmt Schäuble Angela Merkel ins Fadenkreuz. Man müsste ihm applaudieren, wäre nicht so verderbt, was Schäuble anstellt. Ein furchtbarer, ein schlimmer, ein hintertriebener Mensch.

Wie versprochen: Konfuzius und seine Schäuble-Kritik

Tse-lu fragte:
Wenn der Fürst von Wei dich erwartete, damit du das Land für ihn verwaltest, was würdest du zuerst tun?

Der Meister antwortete:
Ich würde auf jeden Fall zuerst die Sprache in Ordnung bringen.

Tsu-le sagte:
Was ich fragte, hat doch mit der Sprache nichts zu tun. Warum sollte die Sprache in Ordnung gebracht werden?

Der Meister darauf:
Wie schwerfällig du bist! Der Edle sollte sich, wenn von Dingen die Rede ist, die er nicht versteht, zurückhalten. Wenn die Sprache ungenau ist, stimmt das, was gesagt wird, nicht mit dem überein, was gemeint ist. Wenn aber das, was gesagt wird, nicht mit dem übereinstimmt, was wirklich gemeint ist, kann das, was getan werden soll, nicht ausgeführt werden. Deshalb gebraucht der Edle nur eine Sprache, in der man sich vollkommen klar ausdrücken kann.

(zitiert nach E. A. Rauter, Neue Schule des Schreibens)

Mehr zu Konfuzius: Die Macht des Wortes.

Fotocredits: © Bundesministerium der Finanzen, Foto: Ilja C. Hendel

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