Wir haben weggeschaut, als die Bomben hochgingen in Palästina und in Israel. Da war das Mittelmeer beruhigend weit weg.
Die Toten von Bagdad registrierten wir zunehmend mit Langeweile – wer von uns findet Beirut auf Anhieb auf der Landkarte?
Wir alle haben uns einen Dreck gekümmert um die Totgebombten auf den Marktplätzen in Afrika. „Afrika ist doch so groß und herrlich weit weg“, haben wir gedacht und uns vorm Fernseher eine Safari reingezogen. Und nun?
Nun sind sie unterwegs, jene, die überlebt haben und von uns übersehen wurden und vergessen. Zu Fuß. Nicht nach, sondern von Afrika.
Der Weltfrieden wird kommen; er ist unvermeidlich. Aber ihm wird ein Krieg der Welt vorausgehen müssen, in dem sich die Welt vereint und zwei Dinge mit kriegerischen und nichtkriegerischen Mitteln bekämpft:
– den Hunger
– die Vernichtung unseres Planeten.
Nicht mehr dürfen wir die Bauern subventionieren, sondern jedem einzelnen Mitarbeiter von Monsanto seine Mittäterschaft vor Augen führen.
„Wir zerstören den Regenwald.“ Das sagt sich leicht dahin. Wie ich nun höre (ich hab’ das bei Hagen Rether gehört), verschwindet jeden Tag Regenwald in der Größe von Köln. 24/7 – 365/24/7 …
Entschuldigung, habe ich geschrieben: „verschwindet“? Das ist natürlich Nonsense. Es muss heißen:
Wir Menschen in Deutschland und auf Facebook und in Passau lassen es zu, dass andere Menschen den Regenwald vernichten! Und wir arbeiten kräftig daran mit.
Wir wissen alle, was das heißt. Wir wissen das seit Jahrzehnten. Aber wir nutzen Wörter, die die Katastrophe auf Abstand halten sollen. Wir sagen „Klima“ und es berührt uns nicht, solange wir noch genug Streusalz haben und es bei DM und Müller Cremes gibt mit Lichtschutzfaktor.
„Welche Welt“, so höre und lese ich immer wieder auf Facebook, „wollen wir unseren Kindern hinterlassen?“
Dieselben Menschen, die sich um die Zukunft ihrer Kinder sorgen mit dieser dürren Frage, kaufen ihr Fleisch dort, wo es am billigsten ist, weil es am billigsten produziert werden konnte, weil die Tiere mit Soja gefüttert wurden, das auf den Flächen wächst, wo früher der Regenwald die Welt belüftete. Wir denken, wir essen Fleisch, doch was wir tatsächlich tun: In Wahrheit berauben wir uns und die Menschen dort ihres Grunds und ihres Bodens, wir nehmen uns und ihnen das Wasser. Und früher oder später fehlt uns und ihnen die Luft zum Atmen. Fleischkonsum ist eine andere Form des Lungenkrebses.
Apropos Wasser: Spanische Tomaten sind exportiertes Wasser. Nicht dass sie nach Wasser schmeckten, nein, sie schmecken recht ordentlich, die meisten zumindest. Aber um sie in ordentlicher Zahl zu züchten, haben die Spanier Wälder gerodet, was den Boden erodiert, was das Wasser abfließen lässt, was den Acker salzig macht, was tiefere Brunnen erfodert, was den Anwohnern das Wasser (dieses Mal wirklich) abgräbt.
Habe ich geschrieben: die Spanier? Das ist natürlich Nonsense. Es muss heißen:
Wir sind es, wir Deutsche auf Facebook und in Passau, die wir Tomaten kaufen aus jenen Regionen Spaniens.
Wir müssen nicht in den Krieg ziehen gegen den IS. Wir brauchen nicht noch mehr Überwachung – die, die wir jetzt haben und die uns normalen Menschen als unausweichlich notwendig verkauft wird, schafft es ja nicht einmal ansatzweise, Paris zu warnen. Nein, wir brauchen nicht mehr – wir brauchen weniger. „Wir“, damit meine ich mich und dich und den Ami und den Russki und den Syrer mit seiner Familie.
Wer jetzt nicht bereit ist zum Verzicht, dem wird eines Tages alles genommen werden. Ob vom Terror wie in Paris oder vom Staat in Form von immer weniger Freiheit, spielt dabei keine große Rolle.
„Frieden ist die Furcht der Angst“*
Angst ist verständlich. Nur leider, leider: Es hilft nichts. Wir müssen mit der Angst leben und gegen die Angst etwas unternehmen. Es wird nicht reichen, die Drohnen loszuschicken und Hochzeitsfamilien oder Tanklastzüge zu zerbomben; es wird nicht reichen, im Iran einzumarschieren. Es müssen andere Menschen das Ruder übernehmen – solche, die genau wissen, dass Wachstum das Gift ist, welches die Welt zerstört.
Jeder von uns kann sich entscheiden. Kann weniger Fleisch essen (noch weniger vielleicht sogar) und die Milch beim Bauern direkt kaufen. Die Flüchtlinge sind nicht das Problem – sie haben Paris nicht angezündet, im Gegenteil. Sie werden von jenem Terror eingeholt, dem sie glaubten zu entfliehen. Sie haben ihn nicht mitgebracht, den Terror, wie Columbus damals die Syphilis mitbrachte.
Jeder von euch kann sich entscheiden. Jeden Tag. Er oder sie kann das Maul aufmachen und (endlich, endlich) klug werden. Klug, das ist das Gegenteil von Angst. Klug hat nichts zu tun mit rechts oder dumm, klug ist das Gegenteil von Angst.
Wenn jemand Angst hat, muss ihm die Angst genommen werden. Das gilt für den Sachsen, der Angst hat vor den Tatkräftigen, die sich auf den Weg gemacht haben in eine Zukunft, die diesen Namen verdient – es gilt aber auch für den Bauern in Afghanistan oder Nairobi oder Nigeria, dem Grund und Boden weggenommen wurden und Bildung und Frau und Kind.
Und so glaube ich, dass wir endlich in den Krieg ziehen müssen. Es muss einen Krieg dieser Welt geben gegen Angst, gegen den Hunger, gegen die Vernichtung unserer Erde.
Wenn wir nicht endlich diesen Krieg der Welt beginnen, wird der Weltkrieg die Sache für uns erledigen.
Wir, du und ich, wir haben die Wahl.
*„Frieden ist die Furcht der Angst“ – dieser Satz stammt aus einem Buch von Carl Friedrich von Weizsäcker, dem „Garten des Menschlichen“.