Mir kommen die Tränen

Früher war das so: Ein Journalist schrieb einen Beitrag für eine Redaktion. In der Redaktion überarbeitete ein Redakteur diesen Text (er redigierte), entwarf einen Titel (eine Headline) und, falls notwendig, eine Bildunterschrift.

Schließlich gab er den Artikel zum Korrektor, der ihn auf Orthographie und Grammatik prüfte. Dann erst wurde er gesetzt – eine letzte Kontrollinstanz. Ach ja, und wenn ein Chef vom Dienst oder der Chefredakteur wissen wollte, was in der Zeitung des nächsten Tages stehen würde, dann lasen auch sie noch einmal die Fahnen, bevor der Artikel endgültig seine Druckfreigabe erhielt – Qualitätsmanagement anno dazumal!

Trübe Verhältnisse

Und heute? Der Redakteur vertraut auf seine Schulbildung und vielleicht noch auf die Korrekturhilfe

von Word oder XPress (eine Layoutsoftware).

„Alles okay am See – außer das Wasser“ lautet eine Schlagzeile in der Passauer Neuen Presse vom Samstag, dem 9. Mai 2009. Recht hat er, der Redakteur, alles okay. Nur nicht – das Wasser!

‚Außer‘ ist eine Präposition, also ein Verhältniswort. Es beschreibt das Verhältnis zweier Wörter zueinander: ‚Das Kreuz steht auf dem Gipfel‘.

Präpositionen verlangen einen bestimmten Kasus (Fall), und bei außer ist das der Dativ. Um grammatikalisch richtig zu sein, hätte die Schlagzeile lauten müssen: ‚Außer dem Wasser ist alles okay‘ und durch die Satzumstellung wird sie deutlich, die Lässigkeit, die sich der Redakteur in der Schlagzeile gestattete und in der Bildunterschrift fortsetzte.

Vom Redakteur verschaukelt

Mit „Geprüft und für gut befunden“ wird sie eingeleitet. Weiter heißt es, dass Sportamtsleiter Willmerdinger  eine Schaukel erläuterte vor regionaler Prominenz. Hat die Prominenz, so frage ich mich, tatsächlich eine Erläuterung für die Schaukel erhalten?

Falls nicht (und ich will mir nicht vorstellen, dass sie dem Vortrag lauschen musste ‚Richtig schaukeln – leicht gemacht‘): Was ist dort wirklich geschehen? Geprüft und für gut befunden – oder erläutert? Was nun? Belügt uns am Ende etwa der Redakteur? Oder weiß er nur ganz simpel nicht, was er schreibt?

Nein, ich nehme an, der Redakteur wollte bloß kreativ sein – der holpernde Reim ‚okay – See‘ hat meinen Verdacht geweckt. Er wollte sich aus der Fessel der Berichterstattung befreien; locker wirken, statt sachlich schildern. Fehlgeschlagen, Herr Redakteur. Leider.

Und was ist nun wirklich schlimm daran?

Schlimm daran ist, dass wir dafür bezahlen. Schlimm daran ist, dass es egal scheint, wie geschrieben wird. Schlimm daran ist, dass der Verlag keine Kontrollinstanz bezahlt. Dass die Maxime lautet: Effizienz statt Qualität.

Und darauf seien mir ein paar Tränen gestattet, die ich der guten alten Zeiten und ihres nie so genannten, aber geschätzten Qualitätsmanagements wegen vergießen möchte …

Bis bald – und eine schöne Zeit!

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