Frauen im Fußball? Spätestens seit der EM 2022 nicht mehr länger nur als Zuschauerin.

Subtil, aber alpha: Wie man den Frauen keinen Gefallen tut

Tag eins nach dem Finale der Frauenfußball-Europameisterschaft in Wembley, London. Es trafen aufeinander die deutsche und die englische Nationalelf. England hat gewonnen, 2:1 – und die Medien überschlagen sich vor Begeisterung über das, was die deutsche Elf während des Turniers geboten hat.

Es folgt ein Auszug aus »The Pioneer Briefing Economy Edition« vom 1. August 2022.

»Vor allem aber zeigten die Fußballerinnen Eigenschaften, die man sich bei manchem Fußball-Millionär in der Bundesliga auch wünschen würde: Teamgeist und Bodenständigkeit.
Zeit also, um beim Frauen-Fußball das „Frauen” zu streichen. Das war einfach nur richtig guter Fußball.« (Zitatende, Hervorhebungen wie im Original)

Richtig guter Fußball. Sprachquark in zwei Akten

Der Quark, den der entgleisende und ob seines Einsatzes für die Belange der Frau vermutlich angerührte Redakteur hier schlägt, ist von vollfetter Qualität. 

Er startet mit der Floskel »vor allem«. Gut, kann man schon mal schreiben, wenn etwas betont, herausgehoben werden soll. Ab jetzt aber wird’s glitschig: Gabor Steingart, Chef und Grandseigneur bei mediapioneer, oder wer auch immer, er heischt ums Nicken des Stammtischs.

»Teamgeist und Bodenständigkeit« wünsche man sich angesichts der von den Frauen gezeigten Eigenschaften auch bei manchem Fußball-Millionär, schreibt er. Hui, da schwingt sie heran, die Glocke des Neids (»Millionär«), da bläht sie sich auf, die Entrüstung (»Teamgeist und Bodenständigkeit«), und da reminisziert er die frühen Nachkriegsjahre, als Sepp Herberger Deutschland in Bern aufrichtete mit den Worten: »Jungs, elf Freunde müsst ihr sein!«

»Jawoll, Chef!«, antworteten seine Jungs und schlugen die Stollenschuhe zusammen wie noch wenige Jahre zuvor die Stiefel, an denen damals ukrainische Erde geklumpt hatte.

Wie sie mich ankotzt, diese alt- und hausbackene Moral von der Kanzel der Redaktionsstube

An wen er da denkt, welcher Fußballer seiner Meinung nach Teamgeist zeigen soll und Bodenständigkeit, das lässt er offen. Gewäsch also, das von der Anmaßung übertroffen wird, er, der Redakteur sei zuständig für Fragen des notwendigen bzw. wünschenswerten Charakters eines Fußballprofis.

Aber selbst das kann er noch toppen, der Klugscheißer.

Sprachquark zweiter Akt

Ab jetzt wird’s hinterfotzig, wie man in Bayern immer dann sagt, wenn Unaufrichtigkeit ihr Haupt erhebt.

Der Gutmensch von der Spree schreibt aus seiner moralinversifften Redaktionsstube: »Zeit also, um beim Frauen-Fußball das ›Frauen‹ zu streichen. Das war einfach nur richtig guter Fußball.«

Ich war mal Torschützenkönig. Das war während der Pubertät, mithin einer der prägendsten Phase des Lebens. Ich habe sogar als Torwart ein Tor geschossen (kein Eigentor!). Und wenn wir auf der Wiese trainierten oder auf dem Bolzplatz unten am Bach im Schatten der Birken, gesellte sich immer wieder Rita M. zu uns und wurde als eine der ersten in jede Mannschaft gewählt. Rita war uns Jungs mehr als willkommen – und unabhängig davon, ob wir nun »Mannschaft« hießen oder »Frauschaft« oder »Transschaft«, wir mochten Rita, Rita spielte einfach geilen Fußball.

Wenn 2022 so ein Stadtpflänzchen »Zeit also!« ruft, dann rennt er bei mir offene Türen ein, bewusstseinsmäßig.

Wenn er aber etwas streichen will, wenn er Frauen aus dem Frauen-Fußball eliminieren möchte, dann zeige ich ihm die Rote Karte wegen subtilem Alphamännchengebahrens und wegen schlichter Doofheit: Sobald die »Frauen« aus dem Wort »Frauen-Fußball« gestrichen worden sind (und zwar, wie er tönt, für immer, denn nur so ergibt seine Fanfare von Zeit also irgendeinen Sinn), sobald es also nur noch »Fußball« gibt, beendet das soeben noch von ihm besonders Gelobte seine Existenz: Teamgeist und Bodenständigkeit lösen sich auf im Nebel der Gleichheit – und das Besondere des Frauenfußballs verschwindet in der Versenkung.

Ich habe den Eindruck, genau das ist es, was mir der Redakteur unterjubeln möchte: dass er den Fußball von Frauen scheiße findet, weil hier nämlich Tugenden auftauchen, die er bewundert, die er aber dort nicht findet, wo er sie gerne sähe: bei den Männern. 

Chauvinistenschwein.

Credits

Das Titelfoto hat Userin firmbee auf pixabay.com kostenlos zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür!

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