Spuren hinterlassen, sich fremder Spuren bedienen – Plagiate sind stets ein heikles Kapitel.

Zitate deklarieren? – Mir doch wurscht!

Ich zitiere Peter Handke, wie er von Gabor Steingart zitiert wird in dessen Newsletter »The Pioneer Briefing« vom 8. Juli 2022:

Alle zarten tiefen Werte der Menschheit sind überall. Die Werte sind in den Formen der großen Werke. Die Werte sind im Schluchzen eines Kindes. Oder im Hüpfschritt eines Kindes. Europäische Werte? Arschlöcher. Wer auch immer möchte, soll damit sein Leben bestreiten oder bespielen oder besingen oder bemalen; aber er soll aufhören, aus den europäischen Werten eine Axt gegen andere zu machen. Leute, die so reden, sind das neue Gesindel.«

Das hat er voll Inbrunst gesagt, der Handke – aber hat er das auch wirklich gesagt? Wenn Steingart zitiert, darf man da nicht sicher sein.

Quelle unterdrückt

Steingart und mich verbindet eine eigene Beziehung: Er, Steingart, geht mir auf den Zeiger, und ich gehe ihm womöglich mittlerweile ebenfalls auf den Wecker: Steingart umgibt sich mit den Großen der Welt, kutschiert gar mit ihnen durch Berlin (lässt sich dabei aber düpieren und bekommt nicht mit, dass sein Wagenlenker eine Woche später vom Steuer gejagt werden wird), da stört ein Lektor und Blogger aus Plattling am Zusammenfluss von Isar und Donau nur wenig, auch wenn der permanent und penetrant auf Rechte aufmerksam macht, die im Hause Steingart bloß lässig gehandhabt werden. 

Irgendwann nervt das vielleicht, könnte ich mir denke, aber es nötigt nicht zu einer Änderung.

Steingart und das gekühlte Mütchen

»The Pionier Briefing« also ist Steingarts täglich erscheinender Newsletter. Diesen Newsletter ziert ein Logo; dem Logo zur Seite gestellt wird ein schlichter Satz, der da heißt:

»Wahrheit gibt es nur zu zweien«.

Klingt gut, der Satz, sagt aber erst mal nix. Und schon gar nicht verrät er seine Herkunft – aus dem Hause Media Pioneer Publishing AG jedenfalls stammt er nicht. 

Und das habe ich Steingart mal vor langer Zeit geschrieben: dass er einen Satz im Logo verwende, mithin an prominenter Stelle und noch dazu penetrant, weil täglich – einen Satz also, der nicht von ihm stammt, sondern von Hannah Arendt. Dass er die Quelle aber nicht mitteile und ich das für schade hielte, denn die Frau, deren klugem Kopf die Einsicht entsprungen ist (Wahrheit gibt es nur zu zweien), habe solche Plünderung nicht verdient.

Nachdem ich (ebenfalls penetrant, denn in Fragen der Gerechtigkeit oder dem, was ich dafür halte, kann ich zum Terrier werden), nachdem ich ihn also mehrfach hingewiesen habe auf den schlechten Stil, eine Quelle zu unterdrücken, antwortete Steingart persönlich und schrieb abschließend:

»Ich hoffe, ich konnte Ihr Mütchen kühlen und Ihre Nachdenklichkeit stimulieren.«

Nun ja.

Unseliges Salbadern in Sachen Zitat und Quelle

Weil er und seine Redaktion, so schreibt mir Steingart, Hannah Arendt immer wieder mal zitierten, sehe er kein Unglück darin, sie einmal nicht als Urheberin zu nennen. 

Das scheint mir vermintes Terrain. Einmal abgesehen von der Arroganz dieser Position: Niemals ist es der Nutzer eines Zitats, der über dessen Schutzwürdigkeit entscheidet. Gabor Steingart verhebt sich hier. Das hat Hannah Arendt nicht verdient.

Und nun zu Handke, wie angekündigt. Und zu Steingart, encore.

So bastele ich mir einen Eindruck

Um es abzukürzen: Das oben zitierte Zitat hat Handke so nicht getätigt. Perfide ist: Irgendwie hat er es doch getätigt, nur allerdings nicht so, wie der Pioneer das nutzt.

Nach einer nur flüchtigen Recherche fand ich einen Link, in dem die Sätze von Handke auftauchen. Handke hat sie im Rahmen eines Interviews getätigt, das er im »Jahr 2016 […] der ORF-Journalistin Katja Gasser in der österreichischen Botschaft in Paris« gegeben hat. Was (seufz, seufz!) im Newsletter natürlich verschwiegen wird, die Quelle nämlich und die »Bearbeitung« der Handke-Sätze durch den Pioneer.

(Hier die Quelle meiner Recherche: https://www.epochtimes.de/feuilleton/menschen/europaeische-werte-arschloecher-peter-handkes-weg-vom-kleinhaeuslersohn-zum-nobelpreistraeger-a3029878.html – eine mögliche Vernetzung von epochtimes und Pioneer habe ich nicht überprüft.)

Ist das nun schlimm, Herr Flörsch?

Man mag denken, ich habe zu viel Zeit. Man mag einwenden, ich ärgerte mich übers Falsche, und man mag fragen: »Hat der wirklich keine anderen Probleme, der Flörsch?«

Doch, die habe ich: andere Probleme (darüber hinaus halte ich diese Frage für grundverkehrt: Was hat denn das Problem zu tun mit demjenigen, der sich des Problems annimmt?), aber ich habe auch einen Blog, und der will gefüttert werden.

Steingart bedient sich eines Füllhorns: der Klugheit anderer Menschen. Das ist legitim – nur so kommt die Menschheit in toto weiter. 

Nicht rechtens ist es (und nun kommt das Entscheidende: für den Journalisten), wenn dieser Griff camoufliert wird, wenn er gleich einem Kaleidoskop zusammengewürfelt, wenn er manipuliert wird!

Wenn dann schließlich der Ausbeuter (wie ich ihn am liebsten nennen möchte) darüber hinweghuscht und den Missgriff nonchalant zu entschuldigen sucht, dann blubbert die Galle.

 

Zitat und Plagiat. Es stellen sich Fragen

  • Wie lange wird es dauern, bis der Pioneer über Plagiate berichten muss und dann als Glashaus agiert? 
  • Was ist das für eine Haltung, die den Finger bei anderen gerne in Wunden legt, die Schäden an den eigenen Organen aber ignoriert?
  • Was ist das für ein Bewusstsein, das den Raub, das Plagiat, mit Verweis auf ähnliches Verhalten anderer zu rechtfertigen trachtet? 

Steingart hatte in einer Mail an mich davon geschrieben, dass auch andere Zeitungen sich fremde Gedanken zu eigen machten; und er belehrte mich: Sein Plagiieren sei grunddemokratisches Verhalten. An diesem Punkt seiner Argumentation fand ich, es reicht. 

Frech kann ich auch.

Und so ging es weiter …

Postwendend mit der Veröffentlichung dieses Artikels schickte Steingart einen YouTube-Link. »Nix zusammengstöpselt«, lautete sein Begleittext. Ob das stimmt, ob man selbst das anders einordnen, gar tiefer hängen würde, davon mag sich nun jeder selbst ein Bild machen, das Video findet ihr hier –> Klick!

Und noch ein kleines Weilchen später erhielt ich Nachricht von Reinhard Pabst, dem Literaturdetektiv. Was dieser immens belesene Mensch weiß, herausgefunden und mitgeteilt hat, das steht im Folgebeitrag –> Klick! Um es mal mit Steingart zu formulieren: Prädikat spektakulär!

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