Hochgestochen und unverständlich: der Schachtelsatz

Doktor Fritz Simhandl lebt in Wien und schreibt in Deutschland: bei www.suite101.de, dem Autorenportal für Sachtexte. Der Autor hat mir ausdrücklich erlaubt, einen seiner Sätze als ein Beispiel dafür zu präsentieren, wie man es besser nicht macht, wenn man seine Leser erreichen will.

Simhandl hat in einem Forumsbeitrag einen Satz geschrieben, der illustriert, wie schwierig verständliches Schreiben sein kann – genauer: ein auf die Leser Rücksicht nehmendes Schreiben. Simhandl flicht folgende Satzgirlande:

„Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee, da man in solchen Foren auf eine aktive Gruppe trifft, die durchaus über den eigenen Tellerrand blicken kann und sich aus dieser Neugier heraus und der Überzeugung, dass der eigene Star, den man verehrt, unantastbar ist, den Gegenstandpunkt liest.“

Vier Ebenen hinab zur vollkommenen Unverständlichkeit

Satzgirlande hat das Wolf Schneider genannt, die Koryphäe auf dem Gebiet der Stilkunde; sein Vorläufer Ludwig Reiners nennt es Stopfstil und Klemmkonstruktion. Was macht man nun mit solch einer Missgestalt von einem Satz?

Man schaut, was zusammengehört, fügt es zusammen – und trennt es vom Rest: Man zerschlägt den Satz in seine Bestandteile und ordnet ihn neu. Wenn es denn geht …

„Ich halte das für eine ausgezeichnete Idee“, beginnt Simhandl. Ein Hauptsatz, eindeutig und klar in seiner Aussage. Simhandl aber misstraut ihm und liefert eine Begründung – Nebensatz Nummer eins, wir steigen eine Ebene hinab in den Keller:

„…, da man in solchen Foren auf eine aktive Gruppe trifft“. Das reicht dem Autor nicht, und er schiebt einen Relativsatz ein – Nebensatz Nummer zwei, noch eine Ebene tiefer in den Keller hinab:

„… die durchaus über den eigenen Tellerrand blicken kann“. Der Tellerrand ist immer der eigene – das Adjektiv somit überflüssig. Simhandl fühlt sich auf der zweiten Ebene wohl und breitet sich aus: Er fügt eine weitere Erklärung hinzu:

„… und sich aus dieser Neugier heraus“, was ihm immer noch nicht reicht – die Aufzählung wird fortgeführt:

Und schließlich die Erkenntnis: alles ohne Sinn

„… und der Überzeugung“. Ein starkes Wort! Wer das in den Mund nimmt, muss bei einem Politiker in die Lehre gegangen sein. Nach Überzeugung folgt ein Kausalsatz, Ebene drei im Kellergewölbe, es wird langsam heiß, aber der Boden ist noch immer nicht erreicht:

„… dass der eigene Star“ – was ein „eigener“ Star ist, bleibt Simhandls Geheimnis, vielleicht der Stern am Rande des eigenen Tellers? Und es geht weiter hinab, Ebene vier, der zweite Relativsatz in dieser Konstruktion:

„… den man verehrt“. Und was hat es nun auf sich mit dem verehrten Star? Um das zu erklären, muss Simhandl zurück auf Ebene drei:

„… unantastbar ist“. Folgt noch der Nachsatz:

„… den Gegenstandpunkt liest.“ Hä? Wozu, bitte, gehört der Gegenstandpunkt? Langsames Zurücklesen kann vielleicht helfen:

Die Gruppe liest aus einer nicht näher bezeichneten Neugier und einer Überzeugung heraus den Gegenstandpunkt.

Das ist, mit Verlaub, Nonsense oder mir einfach zu hoch, ich verstehe die Aussage nicht.

Fazit: Hier paart sich undurchdringlicher Inhalt mit geblähtem Stil und gebiert ein Satzmonstrum. Ich halte solche Sätze für keine gute Idee.

Viel Spaß – und eine gute Zeit!

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