Passauer Neue Presse und die liederliche Vertragserfüllung

Ob eine Wurst schmeckt, klärt der erste Biss ins Fleisch. Unabhängig davon aber gilt: Schon aus gesetzlichen Gründen (aber auch wegen des Preises, den ich zahle) habe ich Anspruch auf eine einwandfreie Ware. Es stellt sich die Frage, ob das nicht auch für Zeitungen und Zeitschriften gilt? Oder gelten sollte? Ein paar Anmerkungen zur Qualität einer Tageszeitung.

Die Wochenendausgabe der Passauer Neuen Presse (PNP) vom 5. Dezember war ungenießbar und alles andere als einwandfrei. Ein unangenehmer Geschmack ließe sich durch die Lektüre anderer Medien ausgleichen; für die Mängel des Produkts aber kann ich wohl niemanden haftbar machen.

Mängelrüge 1: Satzwiederholungen

PNP Pam Anderson BlogDie Nachricht lautet: Pam Anderson ziert die letzte Ausgabe des „Playboy“. Das mag durchaus eine Meldung wert sein, und ganz zu recht erscheint die Nachricht auf der Seite „Journal“. Die PNP hat diese Meldung von der dpa übernommen, der Deutschen Presseagentur, mitsamt ihren Unklarheiten und geradezu wurstigen Formulierungen. Es folgt ein Zitat.

„Baywatch“-Star Pamela Anderson (48) hat ihre Karriere im „Playboy“ begonnen. Jetzt beendet sie dort eine mehr als 60-jährige Ära des ganz speziellen Enthüllungsjournalismus.

Ich bin verwirrt: Wie kann eine 48-Jährige eine 60 Jahre dauernde Ära beenden? Der Satzbau lässt diese Auffassung zu, ja, er legt diesen Sinn doch erst einmal nahe, denn der zweite Satz greift das Subjekt des ersten Satzes erneut auf (Pamela – sie). Es geht weiter.

Früher nannte man solche Frauen „Busenwunder“, und die Oberweite war das Einzige, das interessierte.

Das ist zumindest oberflächlicher Journalismus. Der Satz behauptet und vergisst den Beleg. Er ist darüber hinaus blöde, weil unwahr. Und nun wird es gespenstisch: Der vorherige Satz wird wiederholt – in abgewandelter Form.

Früher waren sie in bestimmten Magazinen, und die „Busenwunder“ waren das einzige, das darin wirklich interessierte.

So etwas passiert, wenn man seinen Beruf ausübt wie der Nutzer von Textbausteinen: Man vertraut darauf, dass schon richtig ist, was man geliefert bekommt.

Dass der dpa-Autor einmal „Einzige“ schreibt und einmal „einzige“ wird er vielleicht mit der Trefferquote von 50 Prozent entschuldigen wollen. Dass die PNP bzw. irgendeiner der Redakteure diesen Blödsinn durchwinkte, will mir als schiere Pflichtverletzung vorkommen, als reine Arbeitsverweigerung. Man mag ja nicht in Kategorien von Inkompetenz denken.

Mängelrüge 2: Dunkelsinniges

PNP Sport Blog
Wie darf ich folgenden Satz verstehen?

Neben dem traditionellen Thema Sicherheit hat das Autonome Fahren als Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen Herstellern entdeckt.

Wie darf ich den daran anschließenden Satz verstehen?

Ein Pilot-Assistenten soll den Wagen bis Tempo 130 ohne Fahrereingriff in der Spur halten.

Was soll ich von folgendem Satz halten?

In unseren Breiten zählen Kühe und Pferde zu den von Computer identifizierbaren Arten.

Mängelrüge 3: Grammatik wie aus der Klippschule

„Das ist deutschlandweit all es andere als selbstverständlich“, sagt Frank Koller und sein Frankfurter Kollege, derzeit zur Unterstützung in Passau, nickt zustimmend.

PNP Polizei 1

Dieser Satz hat es in sich. Zum einen ist der Autokorrektur des bei der PNP eingesetzten Programms nicht aufgefallen, dass der Journalist „alles“ schreiben wollte statt „all es“. Wo die Software versagt, muss der Mensch ran, bei den Zeitungen also der Redakteur. Den gibt es nun nicht mehr bei der PNP, zumindest nicht in der Form des Schlussredakteurs oder des Korrektors. Man unterwirft sich der Software.

Zweitens. Wenn ich folgendes lese: „… sagt Frank Koller und sein Kollege“, dann stört mich die falsche Verbform. Es muss, denke ich, heißen: „Sagen Franz Koller und sein Kollege, derzeit zur Unterstützung in Passau …“ Dass diesem Kollege eine eigene Handlung zugeordnet wird (nickt zustimmend) erfahre ich erst zum Schluss, viel zu spät, um die Störung aus meinem Kopf zu bekommen. Die Rechtschreibreform hält das Komma zwischen zwei durch „und“ verbundenen Hauptsätze für nicht erforderlich; sie verbietet es aber auch nicht, das Komma. Hier, in der PNP vom 5. Dezember, wäre es angebracht gewesen. Das indes setzt Sensibilität des Journalisten voraus und/oder einen Schlussredakteur bzw. Korrektor.

Drittens. Die Sache mit den Adverbien. Wie hat der Kollege genickt? Genau: zustimmend – ganz offensichtlich im Gegensatz zu all den anderen Gelegenheiten, zu denen er verneinend nickt. Ach ja.

Und schließlich viertens. Der Polizeibeamte, so erfahren wir aus dem Beitrag, heißt Frank Koller. Es gab mal eine Regel für Redakteure, die lautete in etwa so: Bei der ersten Erwähnung wird der Name vollständig genannt, Vorname und Nachname, danach nur noch der Nachname. Ich hab’s gezählt: Der vollständige Name taucht siebenmal auf – zweimal der Nachname. Ach ja.

In diesem Beitrag stolpere ich über die Räumlichkeiten statt Räume, ich erfahre, dass es einen Ermittlungsdienst gibt und einen operativen Bereich (nicht aber, was die beiden unterscheidet), und zum Schluss landen wir im Aufenthaltsraum (ach nein, natürlich landen wir im gemütlichen Aufenthaltsraum). „Dort brutzelt schon der Leberkas. Frank Koller grinst.“ Was für ein dümmlicher Einfall!

Der Fisch stinkt vom Kopf her

Jede Zeitung hat eine Seite 1, die Aufmacherseite. „Womit machen wir auf?“, fragt der Chefredakteur, wenn er wissen will, welcher Artikel, welches Thema groß auf Seite 1 steht. In der PNP vom 5.12.2015 lautet der Aufmacher:

Deutschland zieht in Krieg gegen IS

Fehlt eigentlich nur noch das „Hurra“.

Twitter
Facebook
LinkedIn
WhatsApp