Über den Satzbau

Der Bau eines Satzes heißt Syntax. Er kann unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet werden, die Grammatik nimmt da nur einen von mehreren Standpunkten ein. Immer aber muss das Bauen, also das Schreiben eines Satzes unter einer Bedingung erfolgen: der

Prämisse der Verständlichkeit

Wer nicht so schreibt, dass er verstanden wird, handelt hochnäsig oder unbedarft. An beiden Schwächen kann gearbeitet werden.

In meinem Beispiel aus Teil I „Vom richtigen Satzbau“ zitiere ich einen Satz, der mit einem Dativobjekt anhebt („Ihren fünf Kindern hat Agnes Essl ihre Autobiografie gewidmet“). Wer seine Aussage mit einem Dativobjekt startet, lässt seine Leser solange darüber im Unklaren, worum es geht, bis das Subjekt auftaucht und das Prädikat. Diese Konstruktion ist denkbar ungeeignet.

Meister Yoda als Redakteur

Auch mit dem Akkusativobjekt in den Satz einzusteigen führt leicht zur Verwirrung: „Die Welt schuf Gott in sechs Tagen.“ Akkusativ und Nominativ lauten gleich – wie soll der Leser wissen, ob es sich um das Objekt handelt oder um das handelnde Subjekt? „Die Welt schuf Gott in sechs Tagen“ – grammatikalisch korrekt, sprachlich eines Meister Yoda ebenbürtig.

Muss deshalb ein Satz immer mit dem Subjekt beginnen? Natürlich nicht. Aber ich sollte Gehör und Aufmerksamkeit dafür entwickeln, wie das, was ich schreibe, auch verstanden werden kann: „Die Welt schuf Gott in sechs Tagen.“

Hier ein Beispiel, das demonstriert, was geschehen kann, wenn der Redakteur in der Mittagspause durcharbeitet: die Verwechslung von Nominativ und Akkusativ.

Reaktion auf „Vom richtigen Satzbau“

Als Reaktion auf meinen Artikel „Über den Satzbau“ wurde auf Facebook ein Aspekt genannt, den ich hier gerne aufgreife – danke an Heike Dommich und Anja Wurm.

„Einfach und kurz finde ich immer wieder besser“, schreibt Heike, ihr ist „der Punkt immer lieber als ein Komma.“ Anja kontert: „Es gibt doch nichts Schöneres, in der Literatur, als in guten, interessanten Beschreibungen zu versinken, das funktioniert halt nicht mit kurzen Sätzen.“

Beide haben sie natürlich recht, doch greift ihre persönliche Sichtweise zu kurz. Die Prämisse lautet Schreibe verständlich! Das kann ich sowohl mit kurzen wie auch mit langen Sätzen erreichen.

Warnung: Kurze Sätze wirken in der Häufung atemlos, ihr Stakkato langweilt; eine Folge von langen Sätzen zu formulieren hingegen ist hohe Kunst und verirrt sich genau deshalb in eine Sackgasse, aus der der Leser nicht mehr herausfindet. Weil sich kaum jemand noch die Zeit nimmt, lange Sätze zu flechten, verkümmert diese Kunst, wie zugleich ihr Ansehen sinkt.

Als Abschluss ein Beispiel für einen langen Satz, den man als solchen gar nicht wahrnimmt. Mit diesen beiden Sätzen beginnt das atemraubende Abenteuer, das uns Wolf von Niebelschütz im Roman „Kinder der Finsternis“ erzählt:

Es lag ein Bischof tot in einer Mur am Zederngebirge fünf Stunden schon unter strömenden Wolkenbrüchen. Die Mur war hinabgemalmt mit ihm und seinem Karren und seinen Maultieren und seiner Geliebten, unter ihm fort, über ihn hin, als schmettere das Erdreich ihn in den Schlund der Hölle, kurz vor Anbruch der Nacht.

Viel Spaß – und eine gute Zeit!

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